Essays by Stendhal

Essays by Stendhal

Autor:Stendhal
Format: epub


Aus dem Tagebuch eines Reisenden.

(1838.)

Nicht aus Egoismus fange ich mit ich an, sondern nur deswegen, weil es kein flotteres Mittel beim Erzählen gibt. Ich bin Kaufmann und habe während meiner Geschäftsreisen durch die Provinz – ich handle mit Eisen – den Einfall gehabt, ein Tagebuch zu führen.

Es gibt so gut wie keine Reiseschilderung von Frankreich und gerade dieser Umstand ermutigt mich, die vorliegende zu veröffentlichen. Ich habe die Provinz ein paar Monate lang beobachtet und schreibe ein Buch darüber, aber über Paris, wo ich seit zwanzig Jahren wohne, wage ich nicht zu plaudern. Paris zu kennen, erfordert ein lebenslängliches Studium und es gehört ein scharfes Auge dazu, wenn man durch die Mode hindurch den Dingen auf den Grund schauen will, die dort mehr als sonstwo die Wahrheit zu verschleiern fähig ist.

Die Mode vermochte im Zeitalter Ludwigs des Fünfzehnten alles. Aber in jenen Tagen gab es eine Schwierigkeit weniger, hinter die Wahrheit zu kommen; damals brauchte man sich keine Mühe zu geben, sich durch die gedrechselten Redensarten von ein paar Dutzend Schriftstellern, Leuten von viel Talent, die für ihre Lügen bezahlt werden, durchzuarbeiten.

In Paris drängen sich einem die Gedanken fix und fertig auf; man kann geradezu sagen, es ist, als ob einem die Mühe des Denkens erspart und nur das Vergnügen, etwas gut zu sagen, gelassen werden sollte. In der Provinz wird man von dem entgegengesetzten Unglück geplagt. Man kommt an einer reizenden Gegend, an einer Ruine, die das Mittelalter überraschend verkörpert, vorbei, aber leider ist niemand da, der einen darauf aufmerksam machte, daß da etwas Sehenswürdiges liegt. Der Provinzler preist seine Gegend, wenn sie für schön gilt, durchweg in übertriebenen und gedankenlosen Redensarten, die eine schlechte Nachahmung des Schwulstes Chateaubriands sind. Weiß er hingegen aus Zeitungsaufsätzen nicht, daß hundert Schritte von seinem Hause eine bezaubernde Landschaft ist, dann antwortet er einem auf die Frage, ob in der Umgegend etwas Sehenswertes sei: »Ach, es wäre ein leichtes, aus unseren hochstämmigen Waldungen jährlich hunderttausend Franken herauszuschlagen!«



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